Versicherungswerte von Waldökosystemen
Mit diesem Projekt wurde analysiert, welche Versicherungsleistungen die Waldökosysteme erbringen können. Dazu wurden die Präferenzen der Bevölkerung evaluiert und verschiedene institutionelle Rahmenbedingungen sowie förderliche und hinderliche Faktoren untersucht. Mit den gewonnenen Informationen wurde ein theoretisches Geschäftsmodell entwickelt, das als Grundlage für die praktische Umsetzung einer Versicherung gegen Naturgefahren dienen kann.
Hintergrund
Waldökosysteme erbringen häufig kostenlos Leistungen, zum Beispiel indem sie vor Naturgefahren schützen. Wenn diese Schutzleistung durch eine optimale Waldbewirtschaftung verbessert wird und über die gesetzlichen Vorgaben hinaus zur Risikoprävention beiträgt, erbringen die Waldbesitzenden eine zusätzliche Versicherungsleistung für die gefährdete Bevölkerung. Da sie jedoch für diese Leistung in den meisten Fällen nicht entschädigt werden, kann es zu einer Unterversorgung kommen, d. h. die Bevölkerung erhält weniger Schutz, als eigentlich erwünscht und möglich wäre.
Ziel
Das Projekt verfolgte folgende Ziele: (i) wissenschaftlich nachweisen, dass Ökosysteme Versicherungsleistungen erbringen können, (ii) schaffen eines gemeinsamen Verständnisses und einer Akzeptanz des Versicherungswerts natürlicher Ressourcen bei den involvierten Akteuren, (iii) aufzeigen des Potenzials und Bestimmung des Werts der Versicherungsleistungen, die durch die Ökosystembewirtschaftung bereitgestellt werden, (iv) Bestimmung des Einflusses von Kontext und institutionellem Umfeld auf die Bereitstellung von Versicherungsleistungen und (v) Entwicklung eines Geschäftsmodells, mit dem der Versicherungswert von Ökosystemen für die Versicherungsbranche nutzbar wird.
Resultate
Quantifizierung des Schutzes vor Naturgefahren
Wir entwickelten und validierten einen Simulationsrahmen für die szenariobasierte Quantifizierung des Schutzes vor Naturgefahren (und anderer Ökosystemleistungen) durch Bergwälder. Mit diesem Simulationsrahmen lassen sich die Auswirkungen von Klima, Bewirtschaftung und Störfaktoren wie Wind, Borkenkäfer oder Steinschlag auf die Schutzkapazität des Waldes untersuchen. In der Validierungsfallstudie betrug die verbleibende Steinschlaggefahr je nach Waldentwicklungsszenario 20-30 %. Die Grösse der Steine und die Walddichte waren die Hauptfaktoren für die Wirksamkeit des Schutzes.
Ausserdem zeigten unsere Steinschlagsimulationen, dass Totholzstapel, die z. B. nach einem Sturm im Wald verbleiben, eine erhebliche Schutzkapazität aufweisen und diese im Vergleich zum Waldbestand vor dem Sturm verbessern. Dieses überraschende Ergebnis bestätigt, dass naturbasierte Schutzlösungen für gravitative Naturgefahren ökologisch und wirtschaftlich weiter an Bedeutung gewinnen könnten.
Einbezug von Schutzwäldern in Versicherungsmodelle
Unser Experiment zu den Präferenzen der betroffenen Bevölkerung haben Folgendes ergeben: (i) Es ist eine Bereitschaft vorhanden, für eine Eindämmung der Naturrisiken (über die derzeitigen gesetzlichen Anforderungen hinaus) zu bezahlen; (ii) es gibt kein einheitliches Versicherungsmodell, das für alle Situationen anwendbar ist, da die Präferenzen und die Zahlungsbereitschaft der Befragten und der Regionen zu unterschiedlich sind; (iii) durch die Verknüpfung mit Komponenten der Waldbewirtschaftung und der Gefahrenmodellierung können wissenschaftlich fundierte und praxisrelevante Lösungen für das Risikomanagement von Naturgefahren entwickelt werden.
Unser theoretisches Versicherungsmodell hat gezeigt, dass der Einbezug der Schutzfunktion des Waldes als Bestandteil von Versicherungsverträgen eine Win-Win-Situation sowohl für die Versicherungen als auch für die Eigentümer von Liegenschaften schaffen kann. Die Möglichkeit, Finanz- und Naturversicherungen miteinander zu kombinieren, kann wiederum die Waldbesitzer dazu ermutigen, einen solchen Schutz durch die Wälder zu gewährleisten, was für die ganze Gesellschaft von Vorteil ist.
Bedeutung für die Forschung
Das Projekt erweitert die wissenschaftlichen Grundlagen über die Versicherungsleistungen von Wäldern und evaluiert deren Wert aus Sicht der Bevölkerung. Damit können wir das Bewusstsein dafür stärken, dass die Menschen von natürlichen Ressourcen abhängig sind und dazu beitragen, dass diese Einsicht in politische, wirtschaftliche und individuelle Entscheidungsprozesse einfliesst.
Bedeutung für die Praxis
Unser Projekt zeigt deutlich, dass mit Totholz das Risiko von gravitativen Naturgefahren gemindert werden kann. In der Waldbewirtschaftung können unsere Ergebnisse als Entscheidungshilfe genutzt werden, indem die Kosten und Vorteile verschiedener Waldbewirtschaftungsstrategien verglichen werden, zum Beispiel die Strategie, nach einem Sturm Totholz im Wald zu belassen. Aus Versicherungssicht ist die Erkenntnis wichtig, dass sich Natur- und Finanzversicherungen ergänzen sollten: Die Naturversicherung der Wälder kann das Risiko von Ereignissen mit geringem Schadenpotenzial und hoher Eintrittswahrscheinlichkeit abdecken, während die Finanzversicherung die verbleibenden Ereignisse mit hohem Schaden und geringer Wahrscheinlichkeit übernimmt.
Publikationen
Kontakt
Projektleitung
Prof. Dr. Roland Olschewski
Umwelt- und Ressourcenökonomie, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
Prof. Dr. Marc Hanewinkel
Professur für Forstökonomie und Forstplanung, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
Dr. Perry Bartelt
WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF
Prof. Dr. Rasoul Yousefpour
Professur für Forstökonomie und Forstplanung, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
Projektpartnerschaften
Aller Risk Management
Bundesamt für Umwelt BAFU
econcept
Gebäudeversicherung Graubünden
Kleinn Risk Management
Schweizer Hagel