Postfossile Städte
Das Simulationsspiel "postfossilCities" bietet ein Experimentierfeld zur Erforschung der Transformation hin zu klimaneutralen, postfossilen Städten. Das Spiel richtet sich speziell an aktuelle und zukünftige Entscheidungsträger, eignet sich aber für alle Interessierten. postfossilCities kann in moderierten Workshops gespielt werden, die vor Ort oder virtuell durchgeführt werden.
Hintergrund
Zum Erreichen der Klimaziele des Pariser Abkommens ist es unabdingbar, den Prozess zur Transformation der Städte in einem inter- und transdisziplinären Prozess aktiv zu reflektieren. Dazu braucht es Ansätze und Instrumente wie Systemmodellierungen und Spiele, die eine Systemperspektive auf den Wandel ermöglichen. Spiele fördern das experimentelle Lernen und das persönliche Engagement der Spielenden, und mit Systemmodellierungen können diese testen, wie wirksam politische Massnahmen sind.
Ziel
Hauptziel dieses Projekts war es, ein vielseitig einsetzbares Simulationsspiel zu entwickeln und anzuwenden, mit dem betroffene Akteure Transformationswege hin zur Stadt der Zukunft finden und evaluieren und dabei die ökologischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einbeziehen können. Das Spiel enthält neben Elementen wie Rollen, Spielbrett und Aktionskarten ein Modell zum sozioökonomischen Metabolismus der Schweizer Wirtschaft (mit den Schwerpunkten Wohnen und Verkehr) sowie ein Softwareprogramm zur Simulation dieses und ergänzender Modelle. Die Spielenden können so potenzielle Wege zur postfossilen Stadt aus einer systemischen Perspektive testen.
Resultate
Die Transformation zu einer postfossilen Stadt durchspielen
Mit dem Simulationsspiel lassen sich Massnahmen zur Eindämmung des Klimawandels in einem kollaborativen, experimentellen Umfeld testen und Synergien und Kompromisse zwischen den gesellschaftlichen Akteuren erfahren. Es richtet sich an aktuelle und künftige Entscheidungsträger und informiert diese über wichtige Aspekte der Transformation hin zu postfossilen Städten, kann aber von allen Interessierten gespielt werden. Das Spiel ist auf Englisch und Deutsch verfügbar und eignet sich für moderierte Workshops von 3 bis 8 Stunden Dauer, die vor Ort oder virtuell stattfinden und den Teilnehmenden den Klimawandel und die Dringlichkeit von Klimaschutzmassnahmen vor Augen führen. Die Spieler lernen, wie sie Massnahmen zur Eindämmung des Klimawandels aufgrund der Wirksamkeit und der zeitlichen Komponente priorisieren können. Dies kann bewirken, dass bestehende Denkmodelle überdacht werden, zum Beispiel ihr Einfluss auf die Klimaziele.
Sektorspezifische Szenarios veranschaulichen die Wirkung von Klimamassnahmen
Für die Simulation der Transformationswege für die Stadt der Zukunft, aber auch zur Analyse von Klimamassnahmen für den Wohnbereich und den Autoverkehr in der Schweiz, wurden mehrere Modelle zum sozioökonomischen Metabolismus entwickelt. Die Analyse der Szenarien für die beiden Sektoren hat ergeben, dass technologieorientierte Massnahmen zur Reduktion der Treibhausgase sehr effizient sind, zum Beispiel der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, höhere Energiestandards und Renovierungsquoten oder die Elektrifizierung von Fahrzeugen. Die volle Wirkung entfaltet sich jedoch in vielen Fällen erst mit starker Verzögerung, da es lange dauert, bis die bestehenden Technologien ersetzt sind. Im Gegensatz dazu wurde festgestellt, dass Verhaltensmassnahmen den direkten Energieverbrauch sehr wirksam und sofort senken. Dazu gehören zum Beispiel niedrigere Innentemperaturen, eine Senkung der beheizten Wohnfläche pro Kopf oder die Nutzung von Mitfahrgelegenheiten.
Die Analyse hat auch gezeigt, dass eine Kombination von Technologie- und Verhaltensmassnahmen dazu beitragen kann, die Energie- und Emissionsziele in den beiden Sektoren Wohngebäude und Autoverkehr zu erreichen, sofern Umfang und Zeitplan gut koordiniert sind. Der Einbezug und das Experimentieren mit diesen und anderen Modellen ist im Spiel postfossilCities einfach. Dazu wurde eine Simulations-Engine auf der Grundlage des neu entwickelten, agentenbasierten «Agent Using Models»-Ansatzes konzipiert und implementiert.
Bedeutung für die Forschung
Für das Projekt wurden zwei detaillierte Modelle zum sozioökonomischen Metabolismus für den Bestand an Wohngebäuden und an Privatfahrzeugen entwickelt. Beide Modelle eignen sich als robuste Grundlage für zukünftige Forschung, z.B. zur Evaluation von Kreislaufstrategien. Das entwickelte «Agent Using Model» ermöglicht es, verschiedene Arten von Modellen zu kombinieren und durchzuspielen und eignet sich zur Anwendung und Weiterentwicklung in anderen Kontexten, insbesondere für heterogene Modelle mit unterschiedlichen Paradigmen.
Bedeutung für die Praxis
Mit dem entwickelten Simulationsspiel PostfossilCities können die Teilnehmenden bei Workshops selber erfahren, wie dringend Klimaschutzmassnahmen sind und wie wichtig die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure ist. Das Spiel, das ein Set von 204 Aktionskarten enthält, ist geeignet für aktuelle und zukünftige Entscheidungsträger, z.B. aus der öffentlichen Verwaltung, der Wirtschaft und der Politik, sowie für andere Interessierte. Klimafachleute, die an Spiel-Workshops teilgenommen haben, bestätigen, dass postfossilCities die relevanten Fakten effektiv und im Gesamtkontext vermittelt.
Publikationen
Projektleitung
Dr. Patrick Wäger
Technology and Society Laboratory, EMPA
Prof. Dr. Lorenz Hilty
Institut für Informatik, Universität Zürich
Prof. Dr. Daniel Müller
Department of Energy and Process Engineering, Norwegian University of Science and Technology (NTNU)
Projektpartnerschaften
Dr. Markus Ulrich
UCS Ulrich Creative Simulations GmbH, Zürich
Prof. Dr. Susanne Kytzia
Institut für Bau und Umwelt, Hochschule für Technik Rapperswil (ab 01.01.2019)
UCS Ulrich Creative Simulations GmbH